Dr. Stefan Weber
Iren auf dem Kontinent. Das Leben des Marianus Scottus von Regensburg und die Anfänge der irischen ‚Schottenklöster‘

Der irische Rompilger und Schreiber Marianus Scottus (\dag wohl 1081/1082), der nicht verwechselt werden darf mit einem bekannten Chronisten gleichen Namens und gleicher Herkunft, verließ mit Landsleuten seine Heimat, um sich auf eine lebenslange Pilgerschaft (
peregrinatio) in der Fremde zu begeben. Wahrscheinlich 1067/1068 setzte er seinen Fuß auf den Kontinent und kam bald darauf nach Bamberg. Zusammen mit seinen Gefährten wurde er Mönch im dortigen Benediktinerkloster Michelsberg, doch die irischen
peregrini zogen nach einiger Zeit – vermutlich aufgrund von Schwierigkeiten mit den deutschen Konventsmitgliedern – in eine eigene kleine Zelle um, in der sie mit Hilfe des Bamberger Bischofs ein religiöses Leben führten. Womöglich infolge nachlassender bischöflicher Unterstützung brachen sie auf, um nach Rom zu pilgern, gelangten statt dessen aber spätestens im Jahr 1074 nach Regensburg und blieben dort.
Sie fanden wohl zunächst eine Unterkunft im Damenstift Obermünster im Regensburger Süden, die erste sicher bezeugte Station ist jedoch nicht das Obermünster, sondern dessen Pendant, das Damenstift Niedermünster im nördlichen Teil der Donaustadt. Ihren Lebensunterhalt verdienten sich die Iren mit der Produktion von Handschriften, von denen einige noch heute erhalten sind. Auch – und besonders – Marianus wirkte in diesem Zusammenhang als eifriger Schreiber, der nachweislich Tag und Nacht an der Vervielfältigung von Handschriften arbeitete. Im Jahr 1075, vielleicht erst 1076, erhielten er und seine Gefährten von der Äbtissin des Obermünsters die im Süd-Südosten vor der Stadtmauer gelegene Kirche Weih Sankt Peter, und ebendort ließen sich die Fremden aus Irland endgültig nieder. Die Gruppe um den Schreiber vergrößerte sich in der Folgezeit durch den Zuzug weiterer Iren, so daß eine monastische Gemeinschaft entstand. Bereits wenig später hielten sich genügend Iren in der Stadt auf, um im Regensburger Westen ein zweites irisches Kloster – St. Jakob – zu gründen. Noch vor dem Ende des 12. Jahrhunderts wurde dessen Kirche durch einen größeren und repräsentativeren Bau ersetzt, der bis heute die Zeiten überdauert hat. Weih Sankt Peter, das zum Priorat der jüngeren und erfolgreicheren irischen Gründung wurde, ging dagegen zusammen mit seiner Kirche 1552 unter. Im Verlauf des 12. Jahrhunderts gesellten sich weitere irische Klöster – ‚Schottenklöster‘ genannt – auf dem Kontinent hinzu, die wohl mit Mönchen aus der Donaustadt besetzt wurden: In Erfurt St. Jakob, in Würzburg St. Jakob, in Nürnberg St. Egidien, in Konstanz St. Jakob, in Wien St. Marien, in Eichstätt Heiligkreuz und in Memmingen St. Nikolaus; im 13. Jahrhundert schließlich wurde das Priorat St. Johannes in Kelheim errichtet. Diese Schottenklöster waren Benediktinerklöster, die eine erstaunliche nationale Exklusivität wahren konnten, also nur Iren aufnahmen, und die einen Klosterverband unter der Vorrangstellung St. Jakobs (Regensburg) als Mutterabtei bildeten. Indem sie die Handelsbeziehungen zwischen Regensburg und dem Osten ausnutzten, gründeten die Iren sogar im fernen Kiew zu unbekanntem Zeitpunkt eine Mönchsgemeinschaft; dieses Kloster St. Marien in der Hauptstadt der heutigen Ukraine bestand allerdings nur bis zur Eroberung der Stadt durch die Mongolen im Jahr 1240. Etwa ein Jahrhundert nach dem Tod des Marianus wurde die Lebensbeschreibung dieses als heilig verehrten Iren verfaßt. Dem Inhalt nach stellt sie nicht nur eine Biographie ihres Helden dar, sie geht vielmehr weit darüber hinaus und erzählt von den Taten und Wunderwerken verschiedener Persönlichkeiten aus der Anfangsphase der Schottenklöster sowie von historischen Ereignissen bis hin zum Zeitpunkt der Niederschrift. Somit ist sie eine bedeutende Quelle über die Frühzeit der Schottenklöster. Bisher mußte in der Forschung eine veraltete Ausgabe des Textes benutzt werden, die 1658 nach einer einzigen, unzuverlässigen Handschrift gedruckt wurde. Der Hauptzweck der nun vorliegenden Arbeit ist es, den lateinischen Text nach den Handschriften zugänglich zu machen, ihm eine deutsche Übersetzung beizustellen und ihn aus philologischer sowie historischer Perspektive ausführlich zu kommentieren.
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