Graduiertenkolleg 516
Kulturtransfer im europäischen Mittelalter

Dr. Matthias Maser

Matthias Maser Im Rahmen meiner Dissertation habe ich mich zwischen 1999 und 2002 mit der Historia Arabum des Toledaner Erzbischofs Rodrigo Jiménez de Rada (ca. 1170–1247) befasst. Als einziger erhaltener Text des lateinischen Mittelalters widmet sich dieses Werk in monographischer Form der Historie einer nichtchristlichen Gesellschaft und verfolgt in 49 Kapiteln die Geschichte des muslimischen al-Andalus von ihren vermeintlichen Grundlagen in der Zeit des Propheten Muhammad bis ins 11. Jahrhundert. Mit meinen Forschungen konnte ich die Abhängigkeit des lateinischen Werks von der muslimischen Historiographie aufzeigen: Über weite Strecken präsentiert sich die Historia Arabum als beinahe wörtliche Übersetzung hispano-arabischer Vorlagen. Rodrigo stellte damit erstmals einer lateinischen Leserschaft fundierende Überlieferungen der muslimischen Gesellschaft von al-Andalus zur Verfügung und integrierte diese in das historiographische Gesamtkonzept einer hispanischen ‚Nationalgeschichte‘. Im Hinblick auf den Kulturtransfer erlangte dies besondere Bedeutung bei der Darstellung der Muhammadvita, für die Rodrigo lateinische Erstübersetzungen aus der muslimischen hagiographischen Kanonliteratur zum Prophetenleben mit genuin christlichen Interpretationsschemata verwob. Die Historia Arabum konnte sich so als ein Referenzwerk einerseits der hispanischen Nationalgeschichtsschreibung seit dem 13. Jahrhundert wie auch einer im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit aufkommenden Orient- und Islamwissenschaft ‚avant la lettre‘ etablieren. Die Arbeit wurde 2004 mit dem Promotionspreis der Staedler-Stiftung ausgezeichnet.

Forschungsschwerpunkte

Meine gegenwärtigen Forschungsinteressen, die ich im Rahmen eines Habilitationsprojektes verfolge, sind auf die Formen und Inhalte der Kommunikation zwischen Rom und Byzanz zwischen 451 (Konzil von Chalkedon) und 787 (Niceanum II) gerichtet. Dabei stehen nicht allein Papst- und Kaisertum im Zentrum der Untersuchung, vielmehr sind sowohl in Italien als auch in Konstantinopel weitere Akteure und Träger von Kommunikation – wie Synoden, monastische Gemeinschaften, der Senat oder exilierte Kleriker – zu berücksichtigen.

Aktuelle Publikationen / Vorträge
Die Historia Arabum des Rodrigo Jiménez de Rada. Arabische Traditionen und die Identität der Hispania im 13. Jahrhundert (= Geschichte und Kultur der Iberischen Welt, 3), Münster-Berlin-New York 2006.

,Islamische Welt‘ und ‚christliche Welt‘ im Spiegel arabischer und lateinischer Quellen aus dem mittelalterlichen Spanien, in: Cristiani, ebrei, musulmani nell'Occidente medievale, hg. v. Gianluca Podestà (= Rivista di storia del cristianesimo 4/1), Bologna 2007, S. 7–28.

Text, Sprache und Identität. Intentionen und Kontexte des arabisch-lateinischen Übersetzungswerkes im iberischen Raum des Mittelalters, in: Grenzräume und Grenzüberschreitungen im Vergleich. Der Osten und der Westen des mittelalterlichen Lateineuropa, hg. v. Klaus Herbers/Nikolas Jaspert (= Europa im Mittelalter, Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik, 9), Berlin 2007, (im Druck).

Rodrigo Jiménez de Rada and his Historia Arabum, an extraordinary Example of Inter-cultural Tolerance? in: Clash of Cultures. The Languages of Love and Hate. Selected Proceedings of the International Medieval Congress, University of Leeds, 12–15 July 2004, hg. v. Sarah Lambert/Susan Reynolds, Turnhout 2007, (im Druck).

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