Graduiertenkolleg 516
Kulturtransfer im europäischen Mittelalter

Dr. Simone Hespers

Institut für Kunstgeschichte

Simone Hespers

Die Entwicklung der Landschaft im 15. Jahrhundert: Künstlerischer Austausch zwischen Flandern und Italien

Bereits die von Prof. Dr. Heidrun Stein-Kecks betreute, disziplinhistorisch ausgerichtete Dissertation (Kunstlandschaft – ein terminologisches und methodologisches Problem. Zur Geschichte und Tragfähigkeit eines kunstwissenschaftlichen Raumkonzeptes; 2005) entstand, angeregt durch methodenkritische Implikationen des Kulturtransferkonzeptes, im Rahmen des Graduiertenkollegs „Kulturtransfer im europäischen Mittelalter“. In einem neuen Projekt sollen, mit einem kritischen Blick auf die bislang von der Kunstwissenschaft vorgenommene Visierung des Problemkreises, anhand eines prägnanten Beispiels die Funktionsweisen von Kulturtransfers untersucht werden. Der mit intensiven Handelskontakten einhergehende künstlerische Austausch zwischen Flandern und Italien während des 15. Jahrhunderts und seine Auswirkungen auch auf die Entwicklung der Landschaftsmalerei ist bekannt. Seit der zweiten Hälfte, verstärkt seit dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts sind in den Werken italienischer Meister Landschaftshintergründe zu beobachten, die auf kurz zuvor in der flämischen Malerei entwickelte Vorbilder zurückgreifen, auch wurden landschaftliche Einzelelemente als Zitate in neue Bildkompositionen integriert. Der Typus der flämischen Landschaft zeichnet sich durch genaue Naturbeobachtung aus, Vegetation und in das Gelände integrierte Ortschaften werden zu einem harmonischen Ganzen komponiert und mittels Luftperspektive tiefenräumlich konstruiert. Die in der Forschungsliteratur anhand von Motivvergleichen dargebotene Dokumentation des künstlerischen Austauschs speziell zwischen Flandern und Florenz lässt die eigentliche Motivation weitgehend ungeklärt und ist daher kritisch zu beleuchten. Die Überlegung, weshalb bereitwillig fremde Formen und Gestaltungsweisen adaptiert und in die eigene Kunst integriert wurden, gewinnt an Relevanz vor dem Hintergrund, dass Vasari in seinen Vite (1550 und 1568) eine deutlich einseitigere, die Toskana und Florenz fokussierende Kunsthistoriographie entwickelt, wenngleich er auch den flämischen Künstlern Jan van Eyck und Rogier van der Weyden seine Bewunderung ausspricht. Grundlegend sollte dem Interesse nachgespürt werden, welches die italienischen Künstler und ihre Auftraggeber der flämischen Landschaft entgegen brachten. An welche künstlerischen und an welche nicht-künstlerischen Bedingungen ist der künstlerische Austausch geknüpft? Falls es sich anfänglich um eine Art Modeerscheinung handelte, die ihre Invention dem Geschmack einiger weniger Einflussreicher verdankte, dann ist zu überlegen, was schließlich die dauerhafte Verankerung in der eigenen Tradition verursacht haben könnte. In jedem Fall ist das lokal gleichzeitig Andere – was ja möglicherweise auf der eigenen Tradition gründet! – in den Blick zu nehmen. Bedenkt man, dass Tradition und Neuerung einander bedingen, dann lässt sich auch das Phänomen des künstlerischen Austauschs präziser fassen und vor allem dessen Einbindung in komplexe, teilweise sich überlagernde kulturelle Systeme. Denn auch in den beiden vorangegangenen Jahrhunderten wurde die Landschaft als Gegenstand der Malerei im künstlerischen Austausch problematisiert, wie die stets betonte Rezeption byzantinischer Gestaltungselemente in Werken aus Siena und Florenz ebenso wie aus Frankreich und Böhmen deutlich zeigt. Daneben und verstärkt seit dem frühen 14. Jahrhundert hat das Problem ‚Landschaft‘ immer wieder auch zu individuellen, retrospektiv als Sonderleistungen ohne nachhaltige Folgewirkung erscheinenden künstlerischen Lösungen geführt.

Aktuelle Publikationen / Vorträge
Kunstlandschaft. Eine terminologische und methodologische Untersuchung zu einem kunstwissenschaftlichen Raumkonzept (erscheint demnächst in der Reihe Literaturen und Künste in der Vormoderne, Stuttgart).

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